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Hinter den Kulissen von ARTE: 16 Fragen an Irene Selle |
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5) Welche Übersetzung war bisher die größte Herausforderung für Sie?
Das war 1990 die Übersetzung des Buches von Paul Zumthor: „Einführung in die mündliche Dichtung“. Als ich die Einleitung übersetzte, war der semiotische Ansatz des Autors noch etwas abstrakt für mich. Doch zum Glück wurde die Theorie im Laufe des Buches sehr gut veranschaulicht, so dass ich sie mit jeder übersetzten Seite besser verstand. So konnte ich mich am Ende locker an die Überarbeitung der Einleitung machen. Ich fand diesen Weg, mir Neuland zu erschließen, letztendlich sehr schön.
6) Erinnern Sie sich noch an Ihre allererste Übersetzung? Um welche Art von Text handelte es sich, und wie gingen Sie bei der Übertragung vor?
Meine erste in Buchform veröffentlichte Übersetzung war ein Essay von Aragon in einem Sammelband – ein echter Glücksfall, denn der Autor war mir als Gegenstand meiner Doktorarbeit sehr vertraut. Ich hatte keine besondere Methode, auch keine spezielle Übersetzerausbildung – habe einfach drauflosübersetzt. Ich würde mein Verfahren als eher intuitiv bezeichnen. Zweifellos hat es mir geholfen, dass ich Übung im Formulieren eigener Texte hatte.
7) Hat sich ihre Herangehensweise seitdem verändert? Wie übersetzen Sie heute? Mit Wörterbüchern oder Übersetzungsprogrammen? In absoluter Stille oder mit laufender Hintergrundmusik? Übersetzen Sie alles in einem Zuge, oder übertragen Sie abschnittsweise?
Seitdem habe ich natürlich viel an Erfahrung gewonnen. Übersetzungsprogramme sind für unsere Arbeit wegen mangelnder Standardisierung völlig ungeeignet – zum Glück. Wir haben per Computer Zugriff auf diverse Nachschlagewerke, nehmen aber durchaus auch noch Bücher in die Hand. Allerdings können wir uns heute kaum noch vorstellen, wie wir einmal ohne Google auskamen, denn unsere Arbeit erfordert sehr schnelle Aneignung vielfältiger Wissensgebiete, meist unter dem Gebot der Dringlichkeit. Ich sitze in einem Viererbüro, da läuft keine Musik, und jeder bemüht sich, möglichst leise zu sein. Ich übersetze sukzessive und überarbeite meinen Text danach.
Dolmetscherkabinen Quelle: Pressestelle von ARTE