Von Leslie Fornero
Übersetzung: Rabea Koß
Foto: URBAN ARTefakte (Flickr)
Achtung! Die deutsch-französische Freundschaft ist bedroht wie nie zuvor. Während wir mit großem Pomp den 50. Geburtstag des Elysée-Vertrages feiern, muss sich die junge französische Generation einem neuen Problem stellen, das in deutsch-französischen Debatten oftmals völlig außer Acht gelassen wird: Dem deutschen Veganismus.
Warum? Versucht mal, einem französischen Studenten zu erklären, dass immer mehr deutsche Studenten Veganer sind und das völlig „normal“ sei! Ja, in Deutschland kann man den Wandel wirklich spüren! Immer mehr junge Deutsche konvertieren zu diesem Lebensstil, der ihnen das Essen aller tierischen Produkte (kein Fleisch, aber auch keine Milch, kein Käse, keine Eier,…) verbietet. „Aber was essen die denn dann?“ fragt ganz automatisch der gemeine Franzose. Und gleich im Anschluss: „Aber das ist doch schlecht für die Gesundheit, oder?“ Grund genug, stundenlang über den Zustand der deutsch-französischen Gesundheit zu debattieren.
Und dann erzählt mal einem deutschen Veganer, dass es selbstverständlicher Teil der französischen Kultur ist, ein Kartoffelgratin mit Käse, Zwiebeln und Speck, ja Speck, zuzubereiten! Das nennt sich dann „Tartiflette“. Und im Winter, da ist es in Frankreich „normal“ eine gute Tartiflette oder ein Raclette mit Fleisch zu machen, um sich gemeinsam mit Freunden aufzuwärmen. Da wird nicht lange gefackelt…
Stellt euch darauf ein, vegane Deutsche und karnivore Franzosen, in einem entscheidendem Teil unserer beider Kulturen nie wieder einig zu sein: Der Gastronomie. Wenn man Deutsche und Franzosen nicht mehr zusammen an einen Tisch setzen kann, wie soll man in Zukunft die deutsch-französische Freundschaft pflegen, wo doch schon unser Verhältnis in anderen Domänen gerade ziemlich kritisch ist? Noch schlimmer: Stellt euch vor, dass demnächst eine Urkunde verdient, wer in Berlin Mitbewohner findet, die es gestatten, Fleisch in den Kühlschrank zu legen!
Die kulturellen Differenzen bestehen trotz der gemeinsamen europäischen Identität. Die Gesellschaften entwickeln und die Konflikte verlagern sich in unbekanntem Ausmaß. Das Konzept der Normalität, immer schon mehrdeutig und relativ, gräbt eine Grube der kulturellen Unterschiede zwischen den Ländern, in denen jeder seine eigene Vorstellung vom mehr oder weniger definierten „Normalen“ hat. Gerade jetzt, wo versucht wird, die europäische Politik zu versöhnen, sollten wir Eines nicht vergessen: Jedes Land hat seine Kultur und noch so unbedeutend wirkende Kleinigkeiten könnten der Anstoß unvorhergesehener Konflikte sein.
Meine Prognose: In einem Jahrzehnt wird das Klischee des Wurstessenden Deutschen verschwunden sein, ersetzt durch den veganen Deutschen, der nur noch Tofu verspeist. Werden die deutsch-französischen Beziehungen das überleben?
Mehr zum Thema Veganismus...
Pierschel, Marc: Vegan! Vegane Lebensweise für Alle! Compassion media 2011.